von Nicole Pappers
Wir, 17 Jugendliche aus dem Jugendzentrum Treibhaus, haben uns eingehend mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte befasst. Die Jugendleiterin Inge Umbach und Pfarrer Dirk Sasse bereiteten uns in vier Tagesseminaren auf unsere Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz vor.

Auf unserem Weg nach Polen machten wir Zwischenstation in Berlin. Dort hatten wir eine Führung im Reichstag/Bundestag sowie im so genanntem Holocaust-Mahnmal (Stelenfeld) mit anschließendem Besuch der dazu gehörenden Ausstellung im „Ort der Information“.

Auf der langen Zugfahrt durch Polen hatten wir am folgenden Tag viel Zeit zum Nachdenken und konnten das Schöne wie das Erschreckende, das wir in Berlin gesehen und gehört hatten, Revue passieren lassen. Am ersten Morgen in Auschwitz machten wir uns auf den Weg zum so genanntem Stammlager. Viele von uns waren unsicher und hatten Ängste, den „Ort des Geschehens“ zu betreten. Dort wurden wir konfrontiert mit Bergen von Brillen, Kinderschuhen, Haaren, Prothesen, Koffern und vielen anderen persönlichen Wertgegenständen…, wir waren sprachlos.

Nachmittags besuchten wir die Ausstellung eines Künstlers, der selbst viele Jahre als Häftling im KZ Auschwitz gelitten hatte. Wir waren überwältigt von der Vielfalt seiner ausdrucksstarken Bilder. Marian Kolodziej ist es gelungen, uns teilhaben zu lassen an seinem Leben im KZ, das voller Qualen und Demütigungen war, aber auch Erfahrungen von Solidarität unter den Häftlingen kannte. Die Eindrücke dieses Tages ließen viele von uns nicht zur Ruhe kommen.

Am nächsten Morgen fuhren wir gemeinsam zum Außenlager Auschwitz-Birkenau. Das Ausmaß und die Größe dieses Vernichtungslagers übertrafen bei weitem unsere Vorstellungskraft. Auch hier wurden wir unterstützend begleitet und rund dreieinhalb Stunden durch das Lager geführt. Nicht nur an der „Rampe“ (Ort der Selektion), sondern auch an dem kleinen See, in dem die Asche vieler Toter liegt, wurden bei uns viele Emotionen ausgelöst. Völlig fassungslos und voller Trauer über die unmenschlichen Geschehnisse gingen wir meist schweigend über das Gelände. Das Gespräch am Nachmittag mit einem der noch lebenden ehemaligen Häftlinge, Kasimir Smolen, stellte uns dann eine ganz persönliche Leidensgeschichte vor Augen.

Der folgende Tag war geprägt von Arbeit im Archiv des Stammlagers zum Thema „Medizinische Experimente in Auschwitz“ sowie von einem Besuch in der Stadt Auschwitz und der Besichtigung der dort vor einigen Jahren wieder errichteten Synagoge (vor dem Krieg gab es in Auschwitz über 30 Synagogen!).

Der gesamte Aufenthalt – am letzten Tag hatten wir viel Zeit für einen individuellen Gang durch das Stammlager, für Lesen, Schreiben, Gespräche sowie für einen intensiven Abschluss mit der ganzen Gruppe und einen kleinen Gottesdienst – war für uns alle eine wichtige Erfahrung. Bei den täglichen Reflexionen in der Gruppe hatten Gefühle wie Trauer, Wut, Verzweiflung, Hass und Ohnmacht Raum. Aber wir haben in diesen Tagen bei aller Ernsthaftigkeit und Nachdenklichkeit auch gelacht und Spaß gehabt. Die Begegnung mit dem unvorstellbaren Schrecken dieses Ortes sollte uns nicht in eine Depression führen, sondern uns Mut, Kraft und Sensibilität geben, dass ein solches Verbrechen nicht wieder geschieht. Die Geschichte können wir nicht mehr verändern – wir tragen dafür keine Verantwortung. Wir müssen sie aber erinnern, da wir dafür die Verantwortung haben, dass so etwas nicht wieder geschieht.

Hölle auf Erden

Das Leid an diesem Ort
ist nicht zu fassen,
Gewalt und Tod waren hier
stets zugegen,
Ohnmacht und Schwäche begegnete man mit Schlägen,
Menschen – eingeteilt in Rassen,
deportiert in Massen.

Feuer verbrannte Verwandte, angeschürt durch die eigenen Hände,
Rauch steigt zum Himmel empor und der Engel Tränen gingen nieder,
Schmerzen und Demütigung verstummten jegliche Trauerlieder,
im Geiste eingeschränkt und eingeschlossen – wie durch Wände.

Und ich schreibe
mit zitternden Händen,
aber möchte der Opfer gedenken,
ihrem Tod einen Sinn schenken,
doch ich frage mich:
Wie konnte das geschehen,
ich kann es nicht verstehen,
Gott, hörst du nicht mein Flehen?

Sven Kliebe, 16 Jahre